Bonn – Wenn es draußen regnet, stürmt und schneit, zieht es nur die hartgesottenen Gartenfreunde ins Beet. Muss aber auch nicht sein: Sogar auf der Fensterbank lässt sich frisches Grün ziehen, das in nur wenigen Tagen erntereif ist und den Speiseplan bereichert.
«Keimlinge stellen eine schmackhafte und wertvolle Ergänzung zur winterlichen Gemüseversorgung dar», erklärt Harald Seitz vom Verbraucherinformationsdienst aid in Bonn. «Sie haben gegenüber den Samen mehr Vitamine und Ballaststoffe.» Die Gartenkresse ist wohl aufgrund ihrer Bekanntheit die ungekrönte Königin der Sprossen.
«Aber auch Getreide wie Weizen, Roggen, Hafer und Gerste sowie Luzerne und Senf lassen sich sehr gut zu Keimlingen heranziehen», sagt Seitz. Als essbar gelten auch die Jungpflanzen von Rettich und Radieschen, Buchweizen, Lein, Sonnenblumen und Sesam. Bei Hülsenfrüchten empfehlen sich Sojabohne, Mungbohne, Linsen, Kichererbsen und Erbsen.
Keimsprossen sind in der Anzucht anspruchslos: Sie benötigen lediglich Temperaturen zwischen 18 und 22 Grad, genügend Feuchtigkeit, indirektes Licht und ausreichend Luft. Sie lassen sich in einem mehrstöckigen Keimgerät oder einem Sprossenglas heranziehen. Letzteres lässt sich aus einem Einmachglas, einem Fliegengitter oder Kunststoffgaze sowie einem Gummiband auch selbst bauen: Das Fliegengitter wird mit dem Gummiring über der Glasöffnung befestigt. «Tagsüber stellt man das Glas mit der abgedeckten Öffnung schräg nach unten, so dass sich keine Staunässe bildet, das Wasser ablaufen und Luft einströmen kann», erklärt Seitz.
Vor dem Keimprozess sollten die Samen allerdings gründlich gewaschen und verlesen werden. Über Nacht quellen sie mit der zwei- bis dreifachen Menge abgekochtem Wasser im Einmachglas vor. Am darauffolgenden Tag werden die nicht gequollenen und leeren Samenschalen aussortiert und das Keimgut erneut gründlich gespült. «Dadurch kann das beim Keimen entstehende Kohlendioxid entweichen und die Keimlinge werden mit frischem Wasser und Sauerstoff versorgt», beschreibt Seitz den Prozess. Außerdem werden hierbei Schimmelpilze und Bakterien abgewaschen.
Dieser Spülvorgang sollte daher jeden Morgen und Abend wiederholt werden – aus hygienischen Gründen am besten mit abgekochtem Wasser. «Manche Hülsenfruchtsamen wie Kichererbsen und Sojabohnen müssen sogar drei- bis viermal täglich gespült und belüftet werden», sagt Seitz. Sobald die Keimlinge zu sehen sind, kommt das Sprossenglas an einen hellen Ort: «Dadurch steigt der Gehalt an wertvollen Inhaltsstoffen, und der Nitratgehalt sinkt.»
Trotz all der positiven Eigenschaften sind Keimsprossen mit Vorsicht zu genießen. Das Gremium für biologische Gefahren der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hält Sprossen für mikrobiologisch bedenklich: Das Saatgut könne mit Erregern kontaminiert sein, die sich durch die feucht-warmen Bedingungen vermehren können. Laut dem Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) sind auch verschiedene Bakterienarten, Hefen und Schimmelpilze eine Gefahr. Besonders gefürchtet sind Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), Salmonellen und das Bakterium Listeria monocytogenes.
Personen mit nicht ausgebildeter oder geschwächter Immunabwehr, Kleinkinder, Schwangere, alte und kranke Menschen sollten Sprossen daher grundsätzlich nur nach ausreichender Erhitzung verzehren, rät das BfR. Aber auch für alle anderen gilt das als Empfehlung. Auch bei der Anzucht und Verarbeitung sollte auf die Hygiene geachtet werden. Das Institut empfiehlt, ausschließlich Sprossensamen zu verwenden, die nur zu diesem Zweck vertrieben werden.
Fotocredits: Klaus-Dietmar Gabbert
(dpa/tmn)